Ich bin ein sehr Kickstarter-scheuer Mensch. Ich würde z.B. niemals an einem Kickstarter für ein PC-Spiel teilnehmen. Jedoch finde ich Rollenspiel-Crowdfunding ziemlich spannend. Monte Cook arbeitet sehr stark damit, und einige der interessantesten Indie-Projekte der RPG-Szene (z.B. Blades in the Dark) sind über Kickstarter entstanden. Ich habe in diesem Jahr zwei Kickstarter unterstützt. Einmal Dusk City Outlaws, ein Heist-Game, und nun Noir World.
Ein Spiel wie ein Film Noir
Wie der Name schon andeutet, lehnt sich dieses Rollenspiel an Film Noir an. Darüberhinaus ist Dungeon World eine Inspiration für den Autor. Es ergibt sich also Noir World, ein Rollenspiel Powered by the Apocalypse, in dem einiges anders ist als in anderen Rollenspielen. Mir liegen die Quickstart Regeln vor als Backer, und ich erwarte im Sommer mit Freuden den Rest der Regeln.
Die von PbtA bekannten Playbooks heißen in Noir World Roles, also Rollen. Im Quickstarter gibt es deren 6, fürs fertige Werk sind 20 Rollen angekündigt. Die Rollen aus dem Quickstarter sind wirklich klassisches Film Noir: der Schmutzige Cop, der Gute Cop, die Femme Fatale, der Privatdetektiv, der Kriegsveteran und der Schläger. Bei der Charaktererschaffung sucht man sich die gewünschte Rolle aus, wählt eine Motivation, ein Geheimnis und ein Ziel aus dem Playbook aus, und wählt 2 Actions (also Moves). Dann kommt der für mich bereits spannende Teil des gemeinsamen Erzählens: Hooks
Gemeinschaftliche Weltenerschaffung
Jede Rolle hat verschiedene Hooks, mit denen man sich mit anderen Charakteren verknüpfen kann. In einer gemeinsamen Charaktererschaffung muss jeder Spieler zwei Hooks zu anderen Charakteren auswählen. Die Listen sind recht lang und sehr spannend, und können direkt bei der Charaktererschaffung das Spiel prägen.
Wenn die Charaktere mit Hooks verbunden sind, wird das Hintergrundverbrechen des ‘Films’, also der Session, ausgewürfelt. Dieses Verbrechen kann der Kern der Story werden, kann aber auch eher nebenher laufen. Zu guter Letzt kann jeder Spieler entweder einen Handlungsort oder einen NPC erstellen. Diese werden auf Indexkarten niedergeschrieben, dort spielt der Film. Im Laufe des Films kann man zusätzliche Locations oder NPCs erschaffen.
Ein Rollenspiel ohne GM?
Die Besonderheit von Noir World ist für mich, dass es keinen Spielleiter gibt. Das bedeutet man sollte dieses Spiel wirklich nur dann spielen, wenn man an kollaborativem Storytelling interessiert ist. In einem Noir World Film ist jeder Spieler für eine Szene Regisseur. Wenn man als Regisseur dran ist, wählt man einen Ort aus, erklärt welcher Charakter anwesend ist, und ist quasi für diese Szene der GM. Man hat insgesamt drei Director Actions, die man ausführen kann, z.B. Flashback für eine Rückblende, Eine Schwierige Entscheidung für einen Charakter, oder das Einfügen eines weiteren Charakters in einer Szene. Der Regisseur darf seinen eigenen Charakter dabei nicht spielen.
Nach drei Aktionen endet die Szene und man übergibt an den rechten Nebenspieler. Sobald alle Örtlichkeiten besucht wurden, oder jeder Spieler einmal Regisseur war, ist der erste Akt abgeschlossen. Man kann neue Örtlichkeiten oder NPCs erschaffen, die Charaktere können einen Gegenstand aus ihrem Besitz austauschen, oder NPCs aus dem Film entfernen. Es geht dann weiter zum nächsten Akt usw. bis man für den Epilog bereit ist. Im Epilog kann jeder Charakter erzählen, wie es ihm nach dem Abschluss des Films ergeht.
Wie man sich sicher vorstellen kann, funktioniert so ein Spiel meiner Meinung nach nur mit aktiven Rollenspielern, die vielleicht schon GM-Erfahrung haben. Wenn man es eher gewohnt ist, sich passiv berieseln zu lassen, wird der Regisseur-Rolle sicher nichts abgewinnen können. Die Podcaster von One Shot Podcast haben Noir World gespielt, und ich finde, man kann dort gut mitbekommen, dass z.B. Paulomi, die einen russischen Schläger spielt, nicht ganz so beherzt an ihre Regisseur-Rolle rangeht. Da die Improv-Leute von One Shot aber gut mitgehen, fällt das aber nicht so ins Gewicht.
In meinem eigenen Freundeskreis habe ich zwei eher passive Spieler, mit denen ich mir Noir World nur sehr schwierig vorstellen kann. Andererseits aber auch cool, vielleicht kitzelt so etwas das Erzählerische bei Leuten raus. Es muss sicher von Anfang an klar sein, dass man hier gemeinsam eine Story erzählt, und das diese sicherlich gar nichts mit einem Dungeon Crawl gemein hat. Ich kann den oben genannten Podcast nur empfehlen, deren Film ist wirklich packend geworden.
Übrigens ist man in Noir World nicht an die klassischen 40er gebunden, sondern kann zu Beginn des Spiels eine Ära auswählen. So ist z.B. ein Film Noir à la Blade Runner durchaus möglich. Als Stretchgoal wurde auch ein Kapitel für Cthulhu Noir freigeschaltet. Man darf sehr gespannt sein! Ebenfalls freigeschaltet: Cyberpunk, Sci-Fi, Der Wilde Westen, etc.
Ich bin sehr gespannt auf die fertige Fassung und werde dieses Rollenspiel auf jeden Fall testen. Da ich mich nur für das PDF entschieden habe, hoffe ich, meine Ausgabe wirklich wie geplant im Juli zu erhalten. Dann wird es hier sicherlich mehr dazu geben.