Durchgelesen: Blades in the Dark

By | 11. Januar 2018

Es erwähnt und davon geschwärmt habe ich schon länger, aber jetzt habe ich endlich die Lektüre des vollständigen Regelwerks abschließen können: Blades in the Dark von John Harper, ein Rollenspiel inspiriert als System durch Powered by the Apocalypse Spiele. Das Setting hat viele Inspirationen, die mich voll ansprechen, wie z.B. Peaky Blinders im TV, Die Lügen des Locke Lamora als Roman, oder Thief und die Dishonored-Reihe als Videospiel. Es ist ein urbanes Setting welches in Doskvol, auch Duskwall genannt, spielt: eine Art Mischung aus Venedig und dem viktorianischen London, in einer Welt der ewigen Dunkelheit, umgeben von elektrischen Blitzzäunen, die durch Dämonenblut angetrieben werden. In einer solch düsteren Welt versuchen die Spieler sich als eine Verbrecher-Crew in Doskvol einen Namen zu machen.

Ein Hardcover in schwarz und weiß

Blades in the Dark gibt es als Hardcover oder digital. Vom Format war ich eher etwas überrascht, es ist eher ein A5-Buch als die gewohnten A4 oder Letter-Format Schinken. Das Buch ist vom Layout sehr minimalistisch und komplett in schwarz-weiß gehalten, was aber schon schick aussieht. Die Welt von BitD ist düster, und das vermittelt das Buch sehr gut. Gerade im Setting-Teil des 336-seitigen Buchs werden die Grafiken sehr schön eingesetzt, um z.B. die einzelnen Stadtviertel vorzustellen.

Das System

Ich muss zugeben, dass mich das System ein wenig einschüchtert. Viele neue Regeln, die ich aus meiner bisherigen Rollenspielerfahrung nicht kenne, machen BitD fast schon zu einem ‘crunchy’ Erzählrollenspiel. In Blades wird nur mit W6 gewürfelt. Bei einer Probe verwendet man einen seinen Werten entsprechende Menge W6 und wählt den höchsten Wurf als Ergebnis. Erwürfelt man eine 6 hat man einen vollen Erfolg, wirft man sogar zwei oder mehr mal die 6, ist es sogar ein kritischer Erfolg. Bei einer 4 oder 5 hat man einen teilweisen Erfolg, mit Konsequenzen und Komplikationen. 1-3 ergeben einen Fehlschlag. Das Ziel wird verfehlt, und schlechte Dinge passieren.

Insgesamt gibt es in BitD vier Phasen: Free Action, Engagement, Score und Downtime. Free Action ist freies Rollenspiel. Man bewegt sich in Doskvol, sammelt vielleicht Informationen, erhält einen neuen Auftrag und plant, wie man diesen angeht. Die Planungsphase ist bewusst einfach gehalten. Hier gibt es keine stundenlangen Planungen. Man entscheidet sich für einen von sechs möglichen Moves, um die Dinge ins Rollen zu bringen: Assault, Deception, Stealth, Occult, Social oder Transport. Dazu gibt man  noch an, wie man diesen Move gedenkt einzusetzen, wählt aus, welche Gegenstände man einsetzen möchte, und dann geht es auch schon los mit der nächsten Phase.

Mit dem Engagement Roll bringt man den eigentlich Score ins Rollen. Der Plan wird umgesetzt, der GM platziert das erste Hindernis und der Engagement Wurf setzt dann schon mal die Stimmung. Geht’s direkt ganz easy los, oder startet man direkt mit Komplikationen? Hier kann man z.B. auch direkt das erste Mal die Flashback-Mechanik einsetzen. Steht man plötzlich vor einer verschlossenen Tür an dem Turm, in dem man eindringen will? Vielleicht hat man ja vorher im Garten am Turm ein paar spezielle Dietriche vergraben, die man sich jetzt schnell holt.

Now We’re Stressed Out

Nach dem Engagement wird der Score durchgeführt. Um Bonus-Würfel auf seine Moves zu erhalten, die jeder Charakter hat, kann man Stress auf sich nehmen, bis man sein Limit erreicht hat, und dauerhaften Schaden nimmt. Wer zu viel Trauma erhält, kann sterben, hat dann aber die Möglichkeit, als Geist weiterzuspielen. Stress kommt auch dann ins Spiel, wenn man Resist einsetzt. Mit Resist kann man Schaden abwenden, wird dadurch aber zunehmend gestresst. Wie baut man diesen Stress wieder ab? Na, in der Downtime natürlich.

In der Downtime erhält man seine Auszahlung für einen erfüllten Auftrag. Der GM schaut dann zusätzlich, wie viel Heat die Crew generiert hat. Lief alles super-glatt ab, hat niemand was mitgekriegt? Perfekt. Oder lief’s eher Kacke, und die Stadtwache hat einen Haftbefehl erlassen? Das ganze wird über Heat auf dem Crew-Sheet festgehalten. Basierend auf dem Heat Level gibt es auch immer eine Verwicklung in der Downtime. Das kann eine rivalisierende Gang sein, die sich nun bedroht fühlt und Ärger machen will, eine Festnahme, oder vielleicht sogar das Angebot einer Kooperation mit einer anderen Bande.

Danach erhält noch jeder Charakter die Möglichkeit, zwei Downtime-Aktivitäten einzusetzen. Das kann Heilung sein, oder das man aktiv versucht, Heat zu senken, neue Fertigkeiten mit XP erlernt, oder man seinem Laster nachgeht. Jeder Charakter muss nämlich bei Erschaffung ein Laster auswählen. Das kann Drogen- oder Spielsucht, der Hang zu luxuriösen Dingen aber auch Glaube sein. Wer seinem Laster frönt, baut Stress ab. Geht man seinem Laster aber nicht nach, baut man noch mehr Stress auf.

Charakter-Erschaffung

Wie man es auch von PtbA-Spielen kennt, gibt es in BitD Playbooks, mit deren Hilfe man seinen Charakter erschafft. Insgesamt gibt es hier 7 an der Zahl:

  • Cutter, ein gefährlicher und einschüchternder Kämpfer
  • Hound, ein tödlicher Scharfschütze und Spurensucher
  • Leech, ein Saboteur und Techniker
  • Lurk, ein verstohlener Eindringling und Dieb
  • Slide, ein subtiler Manipulator und Spion
  • Spider, ein verschlagener Vordenker
  • Whisper, ein arkaner Adept und Kanalisierer

Zusätzlich entscheidet man sich geschlossen noch für eine Crew: Assassinen, Söldner, Kultisten, Hehler, Schmuggler oder Sabotierer/Spione. Die Crew erhält ein eigenes Charakterblatt, man erhält XP und kann nach und nach Upgrades der Fähigkeiten erhalten.

Die Charakter-Erschaffung ist also ganz flott gemacht. Man wählt das Playbook das gefällt, wählt ein Erbe und Hintergrund aus, gibt vier Punkte auf Moves aus. Zusätzlich erhält man noch eine besondere Fähigkeit, legt einen Freund und einen Rivalen fest, und wählt ein Laster.

Die volle Ladung Improvisation

Wie ich schon erwähnt habe, fühlt sich das ganze für mich etwas crunchy an. Sehr viele Regeln und Moves. Das größte Problem habe ich mit dem Action Roll, also der normalen Probe in BitD. Bevor man würfelt, legt der Spieler fest, was er erreichen möchte. Danach wählt man den dazu passenden Move aus.

Jetzt kommt der Knackpunkt für den GM. Hier muss man als nächstes die Position festlegen. Ist es eine kontrollierte Aktion, riskant oder gar verzweifelt? Wenn man eine verzweifelte Position wählt, erhält man dafür sogar XP. Danach legt man als GM den Effekt fest, Limited, Standard oder Great. Das bedeutet, dass man hier festlegt, welchen Effekt eine Aktion überhaupt haben kann. Versucht man etwa eine Tür aus Granit mit dem Wreck-Move einzuschlagen? Da ist der Effekt eher Limited. Ist die Tür aus verfaultem Holz? Dann könnte der Effekt eines Wreck-Moves schon größer sein. Aber da muss man sich als GM erstmal dran gewöhnen. Hier reicht jetzt keine Festlegung einer Schwierigkeit, sondern man muss die Situation zweimal betrachten und deuten, und dann auch noch bei den verschiedenen Würfel-Ergebnissen entsprechend improvisieren. Es ist einfach deutlich nuancierter als in anderen Systemen.

Ansonsten ist es vermutlich ein prep-leichtes System. Als GM kann man außer sich ein paar kreative Scores und NSCs ausdenken nicht viel vorbereiten, der Rest ist vermutlich improvisiert. Ich mag mich hier täuschen. Im Regelwerk gibt es im hinteren Teil einige Tabellen, mit denen man NSCs, Dämonen, aber auch Gebäude und Straßen per Zufall generieren kann.

Die Welt

Das Setting ist eigentlich sehr vage gehalten. Vor vielen Jahren gab es eine Katastrophe, seither ist die Sonne kaum noch sichtbar, und Dämonen bevölkern das Land. Sicher ist man nur in großen Städten, die mit elektrischen Zäunen abgesichert sind. Um Strom zu generieren, wird Ectoplasma eingesetzt, welches aus dem Blut von Leviathanen, gigantischen Meeresdämonen, gewonnen wird. Jede Adelsfamilie von Doskvol jagt diese Leviathane für ihr Blut, à la Walfänger in Dishonored.

Mehr Details, aber nichts was in die absolute Tiefe geht, gibt es zu Doskvol. Jeder Stadtteil hat sein eigenes zwei-seitiges Kapitel, und ich fand die Beschreibungen, obwohl knapp, so gelungen, dass ich mir direkt Abenteuer in den Straßen von Doskvol vorstellen konnte.

Ein Beispiel für einen Stadtteil von Doskvol, der exotische Nachtmarkt.

Fazit

Ich finde das System weiterhin toll, und werde im Februar mit einer Kurzkampagne beginnen, die ich online für Freunde und meine Frau leiten werde. Alles was ich so vom System gesehen oder gehört habe z.B. das Actual Play von John Harper persönlich bei Rollplay oder der 3W6 Podcast, macht einfach nur Lust auf mehr. Bammel habe ich allerdings auch, denn das ist schon sehr viel Improvisation. Andererseits mag ich auch nicht stundenlang Prepzeit haben, also könnte das schon sehr sehr gut werden. Ich könnte aber als SL auch richtig daneben hauen. Aber wer nichts wagt, der gewinnt auch nichts!

Riesig loben möchte ich an dieser Stelle zwei tolle Dinge. Zum einen gibt es jetzt ein SRD für BitD, mit einem tollen Player’s Kit. Damit ausgestattet brauch man als Spieler eigentlich außer mindestens einem W6 nichts, um mit einem GM losspielen zu können. Außerdem gibt es beim Sphärenmeister das Hardcover mit dem vollständigen PDF dabei, wie bei vielen Angeboten beim Sphärenmeister. Das finde ich einfach nur toll, denn ich mache viel digital, möchte aber auch ein schönes Buch im Regal haben.

 

2 thoughts on “Durchgelesen: Blades in the Dark

  1. Greifenklaue

    Danke, jetzt weiß ich endlich auch, was dahiner steckt, war im letzten Jahr einer der heißesten Systemtrends, hatte ich das Gefühl.

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  2. Papierheldin

    Alleine schon die “Blitzzäunen, die durch Dämonenblut angetrieben werden” schiebt Blades in the Dark weiter nach oben auf meiner “möchte ich noch unbedingt lesen und spielen” Liste ;D

    Vielleicht kannst du dein Fazit noch weiter ausführen, wenn du einige Runden gespielt oder geleitet hast?

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